War einst der Glaube aller mongolischen und Turkvölker Zentralasiens. Der Glaube baut sich vor allem um den Himmelsgott Tengri auf und setzt sich aus Animismus, Schamanismus, Ahnenverehrung und einer speziellen Form des Totemismus zusammen.
Im Tengrismus besteht der Sinn des Lebens für einen Menschen darin, mit „allem, was unter dem Himmel ist“, also mit seiner Umwelt im Einklang zu leben. Der Mensch steht in der Mitte der Welten und sieht seine Existenz zwischen dem „ewigen blauen Himmel“ ("Mönkh khökh Tengeri" auf Mongolisch), der „Mutter Erde ("Gazar Eje" auf Mongolisch)“ ("Yer Ana" auf Türkisch)", die ihn stützt und ernährt, und einem Herrscher, der als „Sohn des Himmels“ gilt, geborgen. Mit einer ausgeglichenen Lebensweise hält der Mensch seine Welt im Gleichgewicht und strahlt seine persönliche Kraft „Windpferd“ nach außen. Der Kosmos, die Naturgeister und die Ahnen sorgen dafür, dass es dem Menschen an nichts fehlt und beschützen ihn. Wenn das Gleichgewicht durch eine Katastrophe oder durch den Eingriff böser Geister außer Kontrolle gerät, wird es durch den Eingriff eines Schamanen wiederhergestellt.
Heute ist die Gestalt des Himmelsgottes Tengri vorwiegend bei Mongolen, wo auch der Lamaismus von Bedeutung ist, und einigen noch naturverbunden lebenden Turkvölkern wie z. B. Chakassen, Altaier oder Jakuten erhalten geblieben. Aber auch bei Völkern, die den Tengrismus längst abgelegt haben, werden Elemente aus dem alten Glauben immer noch als Aberglaube weitergeführt.
(wiki)
Zu dem Thema habe ich einen mir bekannten Religionswissenschaftler mit Spezialgebiet Tengrismus befragt und mir ein paar Zusatzinfos geben lassen:
Der Tengrismus (von alttürkich t(ä)Kri – „Himmel“ oder auch „Gott“, mong. tenger) war einst der Glaube aller türkischen und mongolischen Völker Zentralasiens und ist heute noch bei einigen zentralasiatischen, aber nicht nur Turk- und mongolischen Völkern ein lebendiger Teil ihrer Kultur. Der Begriff geht auf den französischen Turkologen und Orientalisten Jean-Paul ROUX zurück, der ihn durch sein Werk „Tängri. Essai sur le Ciel-Dieu des peuples altaïques.“ (1956) prägte.
Über die frühesten Formen dieses Glaubens ist wenig bekannt, da die ältesten schriftlichen Nachweise der Alten Türken (Göktürken), namentlich die Orchon-Inschriften aus dem 8. Jahrhundert in der heutigen Mongolei, keine Hinweise auf ihre religiöse Praxis geben; es gibt zudem keine religiösen Texte aus dieser Zeit. Auch die Nachrichten benachbarter Völker geben nicht viel Aufschluss über die religiösen Vorstellungen der damaligen Turkvölker, zumal wir sie besonders kritisch lesen müssen, wenn es nicht um politische oder wirtschaftliche Ereignisse, sondern um religiöse Dinge geht, da ihre Äußerungen dazu oft von Vorurteilen begleitet wird10. Was wir aber genau wissen ist, dass der Glaube an die drei Weltpotenzen Himmel (täKri), Erde (yer) und Mensch (ki_i) schon zu die-ser Zeit existierte (Kül Tigin Inschrift – Ostseite Zeile I; 732 n. Chr.):
„üzä kök täKri asra ya!1z yer k1l1ntukda, ekin ara ki_i o!l1 k1l1nm1_“ – „Als oben der blaue Himmel und unten die braune Erde erschaffen wurden, wurde zwischen den beiden das Menschengeschlecht erschaffen“.
Die älteste türkische Erwähnung TäKris als Schöpfergott findet sich ebenfalls in dieser Inschrift (Südseite Zeile I; 732 n. Chr.):
„TäKri täg täKride bolm1_ Türük Bilge Ka!an bu ödke olurtum” – „(Ich) der Himmelsgleiche von TäKri/dem Himmel erschaffene adlige (türük) Bilge Ka!an, bestieg den Thron”
Dieser Satz zeigt, dass die alttürkischen Herrscher ihrem höchsten Gott sehr nahe standen, oder gar als seine irdische Vertretung gesehen wurden. Die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellten Schamanen und ihre Bedeutung wird in den Inschriften ebenfalls nicht erwähnt. Jedoch lässt das (nicht nur) in den nordosttürkischen Sprachen verbreitete Wort kam – „Schamane“ darauf schließen, dass auch die Alten Türken den Schamanismus kannten. Diese Annahme wird durch einige chinesische Quellen, wie dem Sui-shu bestätigt:
„Sie (d.h. die Türken) verehren Geister und Götter und glauben an Exorzistinnen (wu) und Exorzisten (hi).“
Auch die Inthronisationszeremonie des Ka!ans wird in den chinesischen Quellen beschrieben. Dass der angehende Herrscher „mit einem Stück Seide so lange gewürgt wird, bis er fast bewußtlos wird und in diesem Zustand Worte stammelt, aus denen die Dauer seiner Amtszeit geweissagt wird. Dies erinnert doch wohl zumindest an schamanistische Elemente in der Glaubenswelt der Türken“.
Interessanterweise scheint es aber eine Bedeutungsverschiebung der Rolle TäKris zu geben, die binnen 20 Jahren stattgefunden zu haben scheint, in denen die drei großen Orchon-Stelen auseinanderliegen. Die Rolle, die TäKri in der ältesten In-schrift (Tonjukuk) spielt, ist noch nicht die des von sich aus befehlenden, mächti-gen Gottes, wie in den Inschriften Kül Tigins und Bilgä Ka!ans, sondern gleicht eher einer inspirierenden Kraft (Stele I, Westseite Zeile 6, 720-725 n. Chr.):
„Anta kisre, täKri bili! bertük üçün özüm ök ka!an k1_d1m“ – „Dann, da der Himmel mir Weisheit gab, erklärte ich mich zum Ka!an (Khan)“
In den anderen Inschriften ist die Rolle TäKris jedoch eher die eines (all)mächtigen und schöpfenden Gottes. Aber auch seine weisende Rolle wird in den jüngeren beiden Inschriften deutlich (Kül Tigin, Südseite Zeile 9; Bilge Ka!an, Nordseite Zeile 7):
„TäKri yarl1kaduk1n üçün, özüm kutum bar üçün, ka!an olurtum“ – „Weil TäKri/der Himmel es befohlen hat, (und weil) ich Vitälität/Lebenskraft habe, bin ich Khan geworden“
Hier ist eine Analogie zum chinesischen Himmelsohn nicht von der Hand zu weisen. Auch Quellen berichten von früheren türkischen Herrschern, die neben Tributzahlungen auch Titel, wie „Vom Himmel geborener, weiser, heiliger Sohn des Himmels des Reiches der Groß-T’u-küe (=Großtürken)“. Die Tonjukuk-Inschrift warnt die göktürkische Bevölkerung davor, erneut in chinesische Denkwei-se/Weltanschauung und Abhängigkeit zu verfallen, wie es vor der ersten Reichs-gründung 552 der Fall war (Tonjukuk, Ostseite Zeilen 1 – 4):
„Bilgä Tunyukuk ben özüm. Tabgaç iliKe k1l1nt1m. Türk bodun Tabgaçka körür erti. … TäKri ança temi_ erinç: ‚Kann bertim, kan1K1n kodup içik-diK.‘ 0çikdük üçün TäKri ‚Öl!‘ temi_ erinç. Türk bodun ölti, alk1nt1, yok bolt1.“ – „Ich (bin) Bilgä Tonjukuk. Ich selbst wurde im Reich China gebo-ren. Das Volk der Türk war dem Reich China untertan. … So hat TäKri (wohl) gesagt: ‚Ich gab euch einen Herrscher, und ihr habt ihn verlassen und habt euch (erneut) unterworfen. Da ihr euch unterworfen habt, sagte er ‚Sterbt!‘ (Und) die Türk-Klane starben, gingen zugrunde und verschwan-den/wurden vernichtet“
Das lässt auf den Versuch schließen, sich vom Einfluss der Chinesen zu lösen und vor allem altes, also „genuin-türkisches“ Gedankengut wiederzubeleben – zumindest zu Tonjukuks Zeiten.
(von Ilker M. Urcan )
Im Tengrismus besteht der Sinn des Lebens für einen Menschen darin, mit „allem, was unter dem Himmel ist“, also mit seiner Umwelt im Einklang zu leben. Der Mensch steht in der Mitte der Welten und sieht seine Existenz zwischen dem „ewigen blauen Himmel“ ("Mönkh khökh Tengeri" auf Mongolisch), der „Mutter Erde ("Gazar Eje" auf Mongolisch)“ ("Yer Ana" auf Türkisch)", die ihn stützt und ernährt, und einem Herrscher, der als „Sohn des Himmels“ gilt, geborgen. Mit einer ausgeglichenen Lebensweise hält der Mensch seine Welt im Gleichgewicht und strahlt seine persönliche Kraft „Windpferd“ nach außen. Der Kosmos, die Naturgeister und die Ahnen sorgen dafür, dass es dem Menschen an nichts fehlt und beschützen ihn. Wenn das Gleichgewicht durch eine Katastrophe oder durch den Eingriff böser Geister außer Kontrolle gerät, wird es durch den Eingriff eines Schamanen wiederhergestellt.
Heute ist die Gestalt des Himmelsgottes Tengri vorwiegend bei Mongolen, wo auch der Lamaismus von Bedeutung ist, und einigen noch naturverbunden lebenden Turkvölkern wie z. B. Chakassen, Altaier oder Jakuten erhalten geblieben. Aber auch bei Völkern, die den Tengrismus längst abgelegt haben, werden Elemente aus dem alten Glauben immer noch als Aberglaube weitergeführt.
(wiki)
Zu dem Thema habe ich einen mir bekannten Religionswissenschaftler mit Spezialgebiet Tengrismus befragt und mir ein paar Zusatzinfos geben lassen:
Der Tengrismus (von alttürkich t(ä)Kri – „Himmel“ oder auch „Gott“, mong. tenger) war einst der Glaube aller türkischen und mongolischen Völker Zentralasiens und ist heute noch bei einigen zentralasiatischen, aber nicht nur Turk- und mongolischen Völkern ein lebendiger Teil ihrer Kultur. Der Begriff geht auf den französischen Turkologen und Orientalisten Jean-Paul ROUX zurück, der ihn durch sein Werk „Tängri. Essai sur le Ciel-Dieu des peuples altaïques.“ (1956) prägte.
Über die frühesten Formen dieses Glaubens ist wenig bekannt, da die ältesten schriftlichen Nachweise der Alten Türken (Göktürken), namentlich die Orchon-Inschriften aus dem 8. Jahrhundert in der heutigen Mongolei, keine Hinweise auf ihre religiöse Praxis geben; es gibt zudem keine religiösen Texte aus dieser Zeit. Auch die Nachrichten benachbarter Völker geben nicht viel Aufschluss über die religiösen Vorstellungen der damaligen Turkvölker, zumal wir sie besonders kritisch lesen müssen, wenn es nicht um politische oder wirtschaftliche Ereignisse, sondern um religiöse Dinge geht, da ihre Äußerungen dazu oft von Vorurteilen begleitet wird10. Was wir aber genau wissen ist, dass der Glaube an die drei Weltpotenzen Himmel (täKri), Erde (yer) und Mensch (ki_i) schon zu die-ser Zeit existierte (Kül Tigin Inschrift – Ostseite Zeile I; 732 n. Chr.):
„üzä kök täKri asra ya!1z yer k1l1ntukda, ekin ara ki_i o!l1 k1l1nm1_“ – „Als oben der blaue Himmel und unten die braune Erde erschaffen wurden, wurde zwischen den beiden das Menschengeschlecht erschaffen“.
Die älteste türkische Erwähnung TäKris als Schöpfergott findet sich ebenfalls in dieser Inschrift (Südseite Zeile I; 732 n. Chr.):
„TäKri täg täKride bolm1_ Türük Bilge Ka!an bu ödke olurtum” – „(Ich) der Himmelsgleiche von TäKri/dem Himmel erschaffene adlige (türük) Bilge Ka!an, bestieg den Thron”
Dieser Satz zeigt, dass die alttürkischen Herrscher ihrem höchsten Gott sehr nahe standen, oder gar als seine irdische Vertretung gesehen wurden. Die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellten Schamanen und ihre Bedeutung wird in den Inschriften ebenfalls nicht erwähnt. Jedoch lässt das (nicht nur) in den nordosttürkischen Sprachen verbreitete Wort kam – „Schamane“ darauf schließen, dass auch die Alten Türken den Schamanismus kannten. Diese Annahme wird durch einige chinesische Quellen, wie dem Sui-shu bestätigt:
„Sie (d.h. die Türken) verehren Geister und Götter und glauben an Exorzistinnen (wu) und Exorzisten (hi).“
Auch die Inthronisationszeremonie des Ka!ans wird in den chinesischen Quellen beschrieben. Dass der angehende Herrscher „mit einem Stück Seide so lange gewürgt wird, bis er fast bewußtlos wird und in diesem Zustand Worte stammelt, aus denen die Dauer seiner Amtszeit geweissagt wird. Dies erinnert doch wohl zumindest an schamanistische Elemente in der Glaubenswelt der Türken“.
Interessanterweise scheint es aber eine Bedeutungsverschiebung der Rolle TäKris zu geben, die binnen 20 Jahren stattgefunden zu haben scheint, in denen die drei großen Orchon-Stelen auseinanderliegen. Die Rolle, die TäKri in der ältesten In-schrift (Tonjukuk) spielt, ist noch nicht die des von sich aus befehlenden, mächti-gen Gottes, wie in den Inschriften Kül Tigins und Bilgä Ka!ans, sondern gleicht eher einer inspirierenden Kraft (Stele I, Westseite Zeile 6, 720-725 n. Chr.):
„Anta kisre, täKri bili! bertük üçün özüm ök ka!an k1_d1m“ – „Dann, da der Himmel mir Weisheit gab, erklärte ich mich zum Ka!an (Khan)“
In den anderen Inschriften ist die Rolle TäKris jedoch eher die eines (all)mächtigen und schöpfenden Gottes. Aber auch seine weisende Rolle wird in den jüngeren beiden Inschriften deutlich (Kül Tigin, Südseite Zeile 9; Bilge Ka!an, Nordseite Zeile 7):
„TäKri yarl1kaduk1n üçün, özüm kutum bar üçün, ka!an olurtum“ – „Weil TäKri/der Himmel es befohlen hat, (und weil) ich Vitälität/Lebenskraft habe, bin ich Khan geworden“
Hier ist eine Analogie zum chinesischen Himmelsohn nicht von der Hand zu weisen. Auch Quellen berichten von früheren türkischen Herrschern, die neben Tributzahlungen auch Titel, wie „Vom Himmel geborener, weiser, heiliger Sohn des Himmels des Reiches der Groß-T’u-küe (=Großtürken)“. Die Tonjukuk-Inschrift warnt die göktürkische Bevölkerung davor, erneut in chinesische Denkwei-se/Weltanschauung und Abhängigkeit zu verfallen, wie es vor der ersten Reichs-gründung 552 der Fall war (Tonjukuk, Ostseite Zeilen 1 – 4):
„Bilgä Tunyukuk ben özüm. Tabgaç iliKe k1l1nt1m. Türk bodun Tabgaçka körür erti. … TäKri ança temi_ erinç: ‚Kann bertim, kan1K1n kodup içik-diK.‘ 0çikdük üçün TäKri ‚Öl!‘ temi_ erinç. Türk bodun ölti, alk1nt1, yok bolt1.“ – „Ich (bin) Bilgä Tonjukuk. Ich selbst wurde im Reich China gebo-ren. Das Volk der Türk war dem Reich China untertan. … So hat TäKri (wohl) gesagt: ‚Ich gab euch einen Herrscher, und ihr habt ihn verlassen und habt euch (erneut) unterworfen. Da ihr euch unterworfen habt, sagte er ‚Sterbt!‘ (Und) die Türk-Klane starben, gingen zugrunde und verschwan-den/wurden vernichtet“
Das lässt auf den Versuch schließen, sich vom Einfluss der Chinesen zu lösen und vor allem altes, also „genuin-türkisches“ Gedankengut wiederzubeleben – zumindest zu Tonjukuks Zeiten.
(von Ilker M. Urcan )
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